Short Stories

kein Film zum Lachen, aber zum Lächeln!

In diesem Zeichentrickfilm erzählt Hartmut Kaminski einfache, kleine Geschichten von Gegenständen und Menschen, die uns im täglichen Leben umgeben. Dies geschieht in einer Form, wie Kinder ihre Muttersprache oder Erwachsene eine Fremdsprache lernen.
Die Minimalstrukturen der Bilder, Sprache, Geräusche und Musik entwickeln durch ihre Modellhaftigkeit eine spröde Poesie. Die filmischen Elemente drücken den Inhalt der Geschichten kompromisslos, präzise und allgemein verständlich aus.
Erst durch bewusst eingesetzte Kopplung von reduzierter Sprache, Ton und Bildern erhält der Film eine spezifische Komik und damit einen Unterhaltungswert.
 

••• Das Nummerngirl - ein Elefant - führt"in einfallsreichen, arbeitsaufwendigen, filmisch ungemein reizvollen Zwischentiteln von einer zur anderen Kurzgeschichte. Diese versuchen, eine Idee in wenigen Bildern zu veranschaulichen. Die Geschichten enden mit Ironie oder mit einem Auftakt zum Weiterdenken!"•••
(Rheinische Post, 1979)


1. Das ist ein Raum
Als Zeichentrick erscheint mit laufender Linie ein reiß-brettartig geplanter Raum. Mit sicherer Stimme beschreibt ein männlicher Kommentator das Dargestellte:
"Das ist ein Raum",
"Das ist eine Tür",
"Das sind Fenster",
"Das ist der Boden",bis er stolz zusammenfasst:"Das ist ein Raum".
Doch in dieser seelenlosen Konstruktion ist kein Platz für Leben. Eine Frauenstimme macht darauf aufmerksam: " ... und draußen singt ein Vogel", und schon hören wir sein Lied.
Die technische männliche Welt ist Wirklichkeit: Realaufnahmen von Wohnsiloblocks lassen die wiederholte Feststellung der Frau "... und draußen singt ein Vogel" und das folgende Vogelgezwitscher hoffnungslos klingen.

Ein Mann und eine Frau sitzen sich im Profil in einer Realaufnahme gegenüber. Sie blicken sich an, während die Frau überlegt: "Wenn ich zu ihm sage, er ist wunderbar, freut er sich." Sie sagt es ihm, gleichzeitig erscheint aus ihrem Mund eine Sprechblase mit dem Text: "Du bist wunderbar". Zu einsetzender, verträumter Musik dreht sich das Gesicht des Mannes dem Zuschauer zu und ... er lächelt wirklich. Dies wird von der Frau auch bestätigt: "Nun lächelt er."
Das Bild springt zurück in die Anfangseinstellung. Die gleiche Situation wiederholt sich, nur mit vertauschten Rollen. Der Mann spricht.
Ein drittes Mal wiederholt sich die Situation. Nun sprechen beide die Sätze in "Wir-Form" und drehen sich lächelnd dem Publikum zu, für das sie - wie bei einem Werbespot - glücklich sind. Die Beatle-Song-Zeile:  "All you need is love tralalalala" gibt der kleinen Geschichte eine gewisse Ironie.

In das schwarze Bild sagt eine Frauenstimme: "Jetzt ist Nacht". Ein großer Stern kämpft sich mit seinem Licht in das Dunkel.
Frauenstimme: "Dies ist ein Stern", und später als ein Sichelmond erscheint: "Dies ist der Mond".
Als viele Sterne leuchten, verlöschen und neue funkelnd auftauchen: "Dies sind viele Sterne".
Von beiden Seiten nähern sich vor diesem Sternenhintergrund real ein männlicher und ein weiblicher Kopf im weißen Schattenriss: „Das sind Leute, die die Nacht lieben" – sie geben sich einen herzhaften Kuss und ziehen sich wieder zurück.

In einem realen Wohnzimmer mit einem Fenster (Farbphoto) sitzt als gemaltes Bild ein Mann auf einem Stuhl mit Armlehnen, der auf einem Drehpodest steht. Die Frauen-stimme beschreibt die Situation: "Ein Mann sitzt in einem Stuhl." Langsam setzt sich das Podest samt Mann und Stuhl in Drehbewegung, schneller und schneller. "Er kreist herum, rum, rum ... ", hören wir die Frau sagen. Plötzlich stoppt die Drehung. Der Mann dreht uns den Rücken zu, blickt zum Fenster. "Nun stoppt die Drehung"  sagt die Frauenstimme, und: "Der Mann hat das Gefühl, er kreist rundherum, rum, rum ... ". Der objektive Tatbestand, der Stillstand, löst sich auf im subjektiven Gefühl: in diesem kreist das Zimmer real zuerst als verwischtes Bild, dann als genau so schnelle Folge von Einzelbildschaltungen: Ein kurzer Experimentalfilm über zwei verschiedene Wahrnehmungen bei verschiedener Aufnahmetechnik.

 

Der mit einfachen Strichen gezeichnete Männerkopf mit o-förmigen Mund beschreibt sich kommentierend: "Mein Mund ist geöffnet, ich sage 'Mund'." Er bewegt die Lippen, sagt "MUND". Gleichzeitig entsteht eine Sprechblase, in der das Wort "MUND" erscheint.
Sprechblase und Text blenden wieder aus.
Erneut beschreibt sich der Mann kommentierend: "Mein Mund ist geschlossen. Ich sage NICHT 'Mund'. Ich träume Mund".
Nun erscheint eine gestrichelte Traum-Sprechblase und darin die Realaufnahme eines roten Frauenmundes (die übrige Haut ist schwarz bemalt), der zuerst tonlos, dann lauter und lauter "Mund" flüstert.

Eine Folge von großflächigen Zeichentrickaufnahmen zeigt, wie eine Frau sich "chic" macht.
Wir sehen jeweils zu den beschreibenden Texten der Frauenstimme die einfachen Handlungen:
"Sie malt ihre Nagel an"
"Sie kämmt ihr Haar"
"Sie bürstet ihr Haar"
"Sie steckt eine Haarnadel in ihr Haar"
"Sie malt ihre Lippen an"
"Sie lächelt."
Die so zurechtgeputzte Frau sitzt auf einem Hocker in der Ecke eines gekachelten Baderaumes. Die Kamera fährt zurück, über die Bildbegrenzungen der Zeichentrickfilmfolie hinaus und verlässt die vorgetäuschte Ebene der Wirklichkeit, um in eine neue Realität einzusteigen: Der Tricktisch wird sichtbar und auch die Händen des Kameramannes.
Erneut wird die Frage nach der Realität gestellt, wenn die vorher gezeichnete Frau in der gleichen, aber jetzt "wirklichen" Szenerie sitzt.
Wieder fährt die Kamera zurück, Schattenrisse von Männern drehen sich wie Spielfiguren der Kamera zu und, während die Frauenstimme wiederholt: „ ... und nun wartet sie auf ihn", werden Filmlampen und die Schienen, auf denen der  Kamerawagen fährt, sichtbar. Schließlich erkennen wir. Auch dieses ist nicht die Realität, denn die Frau sitzt in einer Kulisse, die auf einem Platz mitten in einer Großstadt aufgebaut wurde, hinter der die Reklame aus und an geht.

Credits

  • Originaltitel
    Short Stories
  • Idee, Buch, Entwurf, Trick-Kamera, Schnitt, Ton
    Hartmut Kaminski
  • Realkamera
    Dieter Vervuurt
  • Musik,-Komposition u. Spiel
    Da Capo
  • 1. Zeichner
    Florian Maderspacher
  • 2. Zeichner
    Karl Heinz Hergaden
  • Sprecherin (Frau)
    Marianne Hoika
  • Sprecher (Mann)
    Egon Hoegen
  • Mann
    Herbert Offermann
  • Frau
    Karin Krösche
  • Produktion
    Circe-Film, Lohmar
    (Hartmut Kaminski)
  • Danksagungen
    Ich danke allen MitarbeiterInnen, ohne deren interessierten und unentgeltlichen Einsatz der Film nicht hätte realisiert werden können, Hartmut Kaminski
  • Originalsprache
    Deutsch
  • Erscheinungsjahr
    1980
  • Produktionsland
    Deutschland