Ein Auto
Die Herstellung eines Autos und seine weltweite ökonomische Verflechtung
Trocken und langweilig klingt die Erläuterung zu Hartmut Kaminskis und Ole John-Povlsens Dokumentarfilm "Ein Auto" - "Die Herstellung eines Autos als Ana]yse einer weltweiten ökonomi schen Verflechtung"; dass dann ein rasanter, spannender Sachfilm folgen sollte, war kaum zu erwarten. Die 50 Minuten Laufdauer dieser Arbeit über das Auto jagen derart schnell über die Leinwand, daß sie einem wie zehn Minuten vorkommen.
Das Fließband bei Opel ist Ausgangspunkt von Exkursionen in alle Welt; gleichzeitig bestimmt das Tempo des Fließbands den Rhythmus des Films. In verschiedenen Einstellungen fährt die Kamera mit auf der Montagestraße. Wir beobachten das hektische Tempo von Arbeit, sind mit eingesperrt in den Zeit-Takt der Verrichtungen. Laufend blicken wir dem geplanten Tempo hinterher, staunen, wie die Arbeiter die Geschwindigkeit schaffen. Obzwar die Vielfalt der Tätigkeitsabläufe eigentlich schwer zu durchblicken sein sollte, gelingt es der geschickten Darstellung von Kaminski und John-Povlsen doch, uns das Auto logisch zusammensetzbar zu machen.
Immer bei gewissen Stationen im Herstellungsprozeß setzen die Exkursionen in die Rohstoff-Lieferländer an. Der Situation in Kiruna, Schweden (Erz), Oman (Öl), Sambia (Kupfer), Malaysia (Kautschuk) gemeinsam ist, daß der Rohstoffreichtum jeweils unbearbeitet das Land verläßt und die dortige Wirtschaft von den Zwängen der Monokultur abhängig macht. Alles wird knapp und oft atemberaubend neu dargestellt. Durch geschickte Anschluß-Schnitte, die Raum und Zeit überspringen, wird aus den Arbeitern bei uns und anderswo ein einziges, riesiges Weltproletariat am imaginären Fließband. Ausgezeichnet ist die überaus deutliche Tontechnik, die den realen Lärm der Arbeit geradezu als internationalen Dauerterror dem Zuschauer vermit telt.
Sebastian Feldmann, Rheinische Post, 25.1.78
Hier der Film in dänischer Originalfassung: https://filmcentralen.dk/museum/danmark-paa-film/film/en-bil