Stalin
Dokumentarfilm in 4 Teilen
Die vierteilige Fernsehserie Stalin von Hartmut Kaminski thematisiert den steilen Aufstieg des georgischen Schuhmachersohnes und Zögling des Priesterseminars Josef Stalin bis zum allmächtigen Generalsekretär der Sowjetunion.
Ein politisches Porträt von einem der wichtigsten Männer des 20. Jahrhunderts. Es zeigt die zwei Gesichter des Diktators: seine Grausamkeit und menschenverachtenden Verbrechen ebenso wie seine Fähigkeit, aus einem zusammengebrochenen, unterentwickelten Zarenreich die Supermacht Sowjetunion zu entwickeln.
Die Revolution
Als Ende Oktober 1917 in Zeitungen und Flugblättern Lenins neue Regierung vorgestellt wird, sehen die Bewohner des riesigen russischen Reiches zum ersten Mal ein Foto des Mannes, der ihre Zukunft bestimmen sollte: Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili, genannt Stalin, 38 Jahre alt, Berufsrevolutionär. (Foto: Stalin 1929 in Tiflis.)
Seinen Posten im „Rat der Volkskommissare“, so nennt sich die Regierung der Revolution, verdankt Stalin – wie viele Politiker heute auch – eher dem Regionalproporz als seiner überragenden Bedeutung. Der Georgier repräsentiert die nichtrussischen Nationalitäten im Vielvölkerstaat.
Bis zur Revolution hat Stalin den größten Teil seines Erwachsenenlebens in den Gefängnissen des Zarenreiches und in der Verbannung verbracht. Außer wenigen Jugendbildnissen des Musterschülers und Zöglings eines Priesterseminars, existiert von ihm nur eine stattliche Galerie von Polizeifotos.
Stalins steile Karriere beginnt wenige Jahre nach der Revolution: 1922 wird er Generalsekretär der bolschewistischen Partei, ein wenig beliebter Posten, den erst Stalin zu ungeheurer Machtfülle ausbauen wird. Dieser Aufstieg zur Macht vollzieht sich auf dem Hintergrund der Revolutionsjahre: vom erfolgreichen Aufstand der Bolschewiki 1917 bis zur Gründung der Sowjetunion 1922. Die frühe Zeit der Sowjetmacht ist geprägt von Not, Hunger und Elend des Bürgerkriegs, dem Millionen Menschen zum Opfer fallen. In manchen Gegenden Russlands gibt es sogar Kannibalismus. Zum ersten Mal sind in diesem Film Aufnahmen vom legendären Aufstand der Kronstädter Matrosen zu sehen. Am Schluss der Sendung steht Lenins Beerdigung.
Dorf und Fabrik
„Ganz Rußland ist ein Dorf“, sagt der russische Dichter (und Literatur-Nobelpreisträger) Iwan Bunin noch zu Anfang des Jahrhunderts. Auch 20 Jahre später leben vier von fünf Einwohnern der jungen Sowjetunion, meist als bettelarm Bauern, auf dem Lande.
Stalins Ziel: aus dem armen Bauernland einen mächtigen Industriestaat zu machen. Mit einem großen Sprung, einem gewaltigen Kraftakt in kurzer Zeit soll das geschafft werden. Gegen den Rat fast aller Experten werden die Bauern innerhalb weniger Jahre in die Kolchosen gezwungen. Wer sich wehrt, wird deportiert. Hunderttausende, vielleicht Millionen Bauern kommen dabei um. Parallel dazu beginnt der Aufbau der Industrie, die forcierte Ausbeutung der Naturschätze des gewaltigen Landes. Unter unvorstellbaren Entbehrungen, mit gewaltigen Rückschlägen werden gigantische Industriewerke wie aus dem Boden gestampft.
Zum ersten Mal kann in diesem Film Stalins Krieg gegen die Bauern ausführlich dokumentiert werden. Tonaufnahmen vom ersten Schauprozess in der Sowjetunion, dem Verfahren gegen die sogenannte „Industriepartei“ sind ebenfalls bisher noch nie gezeigt worden.
Die Sendung endet mit Bildern vom Personenkult um Stalin, der bereits seit 1929 „woschd“, d. h. „Führer“ genannt wird.
Der große Terror
Blutiger Höhepunkt der Stalinschen Herrschaft ist die Periode des „Großen Terrors“ in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre. Fast alle Altbolschewiken, Lenins Mitkämpfer aus den Jahren des Exils, fallen ihm zum Opfer, ebenso prominente Wissenschaftler und Künstler und praktisch alle führenden Militärs. Mit ihnen werden Millionen einfacher Sowjetbürger als „Schädlinge“, „Saboteure“ und „Spione“ erschossen oder in die Straflager geschickt.
Ein riesiger Lagerkomplex entsteht, der „Archipel Gulag“. Zwangsarbeiter schuften unter mörderischen Bedingungen in den Bergwerken Ostsibiriens, bauen Straßen und Staudämme. Doch auch die normalen Arbeiter werden in ein strenges Zwangssystem eingegliedert: drakonische Strafen für mangelnde Arbeitsleistungen, Fehlen am Arbeitsplatz und Trunkenheit werden eingeführt. Auf der anderen Seite erhalten „Bestarbeiter“, die alle Normen überbieten, bis zu zwölfmal mehr Lohn als ihre Kollegen. Stalin meint, wer besser arbeitet, soll auch besser leben.
Bisher unbekannte Filmaufnahmen von den Lagern des „Archipel Gulag“, vom Prozess gegen den berühmten bolschewistischen Politiker Nikolaj Bucharin und von Stalin selbst, sind in dieser Folge zu sehen.
Supermacht Sowjetunion
Durch den Sieg über Hitlers Deutschland wird die Sowjetunion zur Supermacht. Stalin exportiert sein System in alle Länder, die von der Roten Armee besetzt worden sind. Er meint zwar, „für die Polen passt der Kommunismus wie der Sattel für die Kuh“, das hindert ihn aber nicht, in ganz Ost-Mitteleuropa die demokratischen Regierungen zu stürzen. In den Jahren davor musste Stalins Staat freilich seine härteste Bewährungsprobe bestehen: trotz des schändlichen Hitler-Stalin-Pakts überfallen die Deutschen die Sowjetunion.
Unter ungeheuren Opfern gelingt es der Roten Armee, den Feind zurückzudrängen. Allein in Leningrad sterben mehr Menschen, als die amerikanische, britische und französische Armeen im ganzen 2. Weltkrieg an Opfern zu beklagen haben. Auch im Krieg geht die Liquidierung der „Feinde“ der Sowjetmacht weiter. Ein besonders trauriges Kapitel bildet die Erschießung von 20.000 polnischen Offizieren in Katyn und anderen Lagern. In dem Film wird zum ersten Mal das Originaldokument gezeigt, mit dem Stalin die Massenerschießung in Katyn befohlen hat.
Als Stalin 1953 stirbt, erreicht die Verehrung seiner Untertanen den letzten Höhepunkt; selbst Gefangene in den Straflagern weinen um den „großen Führer“ und „weisen Vater“ der Menschheit. Diese vierte und letzte Folge der Stalin-Serie endet mit den Folgen des Stalinismus für das Russland von heute.