Dimitri Antonowitsch Wolkogonow

Historiker

Dimitri Antonowitsch Wolkogonow ist der erste sowjetische Stalin-Biograf (STALIN – Triumph und Tragödie; Claassen-Verlag, 1989) nach dem Tode Stalins.
Wolkogonow bezieht eindeutig Stellung gegen die These, nur der „verworfene Mensch Stalin“ sei an dem Untergang des kommunistischen Systems Schuld. Ohne ihn hätten seine humanistischen Ideale realisiert werden können.
Wolkogonow war militärischer Berater Jelzins und Hauptkommissar aller Archive in Russland. Ihm wurden auch die Archive der Partei und des KGB unterstellt.

Hartmut Kaminski konnte ihn als Interviewpartner gewinnen und bekam so Zugang zu den streng geheimen Beständen des russischen Präsidentenarchivs.

So konnten u. a. das Originaldokument, in dem Stalin den Mord an Tausenden polnischen Offizieren in Katyn und anderen Lagern Westrusslands befohlen hat, verwendet werden. Darüber hinaus sind erstmals Filmaufnahmen über die Niederschlagung des legendären Aufstandes der Kronstädter Matrosen, März 1921 zu sehen. Und auch die ausführlichen Filmaufnahmen über die unmenschlichen Bedingungen der Zwangsarbeiter auf den Großbaustellen des Kommunismus , wie etwa der Bau des Moskau-Wolga-Kanal werden hier erstmals gezeigt.

Zitat aus einem Gespräch mit Hartmut Kaminski:

"Stalin ist dreimal gestorben. Erstens physisch - das zweifellos.
Politisch stirbt er noch, aber ist noch nicht tot - leider.
Und historisch wird Stalin niemals sterben. Er bleibt für immer. Er ist Geschichte."

Manche fragen sich: „Was wird nach Stalin sein?“

Für mich war es klar, ein solch brutales System musste untergehen. Ja, für die meisten war das klar.
Aber ich bin zu tiefst davon überzeugt, wenn ein Staatsmann  - nach Stalin - versuchen würde, das Land auf den Weg zur Marktwirtschaft zu führen und Pluralismus, also verschiedene Parteien dulden würde – ein solcher Führer würde sofort beseitigt werden. Das System würde ihn einfach zermalmen, verschlucken.
Sogar der zaghafte Reformator Chrutschow, der auf dem Gebiet der Destalinisierung einiges erreicht hat, wurde von der Polit-Elite nicht geduldet – er passte nicht in den sowjetischen Partei-Areopag (Ältestenrat der Griechen). Als er nur kleinwenig in der Landwirtschaft und Industrie zu ändern versuchte, wurde er sofort beseitigt.

Das System erwählte für sich immer solche Führer, die es brauchte. Von Chrutschow bis Gorbatschow.
Darum sehe ich ganz klar, dass ein langer Evolutionsweg gegangen werden muss. Das System war so brutal, so total, so grausam und kräftig, dass Jahrzehnte vergehen müssen, bis allmähliche Erosionen dieses Imperium zerstören können, bis Erschütterungen diese Partei zum Einsturz bringen. Bis sich neue Kräfte entwickeln konnten, bei der Intelligenz - und nicht nur dort, sondern in der Öffentlichkeit überhaupt - bis vielschichtige Auffassungen geduldet wurden, musste viel Zeit vergehen.
Erst nach der Einsicht, dass das System nicht mehr zu erhalten ist, hat neue Wege eröffnet - erst danach war es möglich, dass solch ein Mensch wie Gorbatschow erschien.