Jeder Druck ist ein Original
oder die Revolution in der Druckgrafik
Hartmut Kaminski: "Und was kommt dabei heraus, bei all dieser Unperfektion, bei dem Durcheinander der Farben, dem Spiel mit den Fehlern? Nach dem Drucken von etwa 4 Farben beäugen wir nach jedem weiteren Druckvorgang alle Exemplare, ob da nicht in diesen halluzinatorischen Farbstimmungen und künstlich geschaffenen Atmosphären „sich schon einige Bilder zu Wort melden, dass sie fertig sind“ (so Dieter). Und dann werden die anderen Drucke „in die Mangel genommen“, bis nach 20 oder 30 Farbschichten die letzten ihren Widerstand aufgeben und nun alle mit ihrem Aussehen das Herz des Meisters erfreuen, der sie dann dafür mit seiner Signatur „Dieter Rot“ belohnt. (Zu dieser Zeit ohne „h“).
Doch was bei der Herstellung des „solothurner bahnhofsvorplatzes“ geschehen war, kann man als Revolution in der Druckgraphik bezeichnen: Die fertigen, gedruckten Bilder sind nicht einfach reproduzierte Kunstwerke, deren Formen in allen Exemplaren wiederholt wurden, sondern jeder Druck ist ein Original, vergleichbar einem gemalten Bild oder einer gemeißelten Plastik: Jedes dieser 100 Exemplare war einzigartig und unverwechselbar.
Die einzelnen Drucke hatten nur noch eine entfernte Ähnlichkeit durch das gemeinsame Foto-Motiv. Der Prozess des Druckens hat mehr mit der Tätigkeit eines Gärtners zu tun, der seine Pflänzchen großzieht, sie wachsen und die Früchte heranreifen sieht. Er kann nicht das ganze Wachstum steuern, aber mit seiner Erfahrung optimale Voraussetzungen für ein gutes Gelingen des Heranwachsens der Pflanze schaffen, bis sie ihm die wohlverdienten Früchte schenkt. Dieter hat meine Druckwerkstatt und meine Fähigkeiten gebraucht, seine Originale in Form einer Druckgraphik herzustellen. Der Drucker mit seiner Ausrüstung und seiner Technik waren für ihn das, was einem Maler der Pinsel oder einem Bildhauer Meißel und Hammer sind.
Die Grenze zwischen Original und reproduziertem Druck war aufgehoben."
Sehen Sie hier 6 Varianten von 120 Exemplaren des Drucken "Düsseldorf", 1971.