Städte- und Landschaftsdrucke

und ihre Besonderheiten

Hartmut Kaminski: "Doch nun zu dem Begriff „Akkumulation der Fehler“, die diesen unvergleichlichen Formen-und Farbenreichtum auf Dieter's Landschafts- und Städtedrucken hervorbringt. Bei Dieter war die „Akkumulation der Fehler“ nicht nur ein kreatives Rezept, um neuartige Bildwerke hervorzubringen. Dieses Programm entsprang seiner Lebenserfahrung und –überzeugung. Es war ein Teil seiner Lebens-Philosophie, die ihn über alle Maßen charakterisiert. Für ihn heißt es: Nicht das Zielgerichtete, Durchgeplante, das Perfekte fördert die Kreativität und die Vielfalt unseres menschlichen Lebens, sondern - und gerade - die Fehler.

Schauen wir uns das menschliche Zusammenleben an, die menschlichen Erscheinungsformen mit ihren Deformationen, Behinderungen, ihrer Andersartigkeit und ihren Besonderheiten im Denken und Fühlen. Gerade diese fehlerbehafteten Abweichungen, die von einigen heute immer noch gesellschaftlich als „überflüssig“, „unnütz“ und „unwert“ eingestuft werden, können gerade die entscheidenden Farbtupfer im Gesamtbild sein, die das Kunstwerk zum Leuchten bringen und zu etwas unverwechselbar Genialem macht. Und vielleicht geschieht dies auch zukünftig im Leben der Menschheit? Dies genau war und ist Dieters tiefe Überzeugung."

"Während Dieter und ich beim „solothurner bahnhofsvorplatz“ nur mit einem positiven Repro-Foto arbeiteten, ließen wir von den Aufnahmen - ebenfalls von Hartwig Roth, seinem Bruder, fotographiert – von „an der emme“ und dem„berner oberland“ - jeweils ein Positiv und ein Negativ herstellen. Dies erweiterte unsere Gestaltungsmöglichkeiten beträchtlich.

Bei „köln“ wählte Dieter eine gelbe Papiersorte aus und bei „heidelberg“ ein Orange-Rot. „heidelberg“ war der einzige dieser Drucke, bei dem wir zusätzlich einen weißen Passepartout-Rahmen druckten. Als einer dieser Rahmen beim Drucken verrutschte und damit das Bild regelrecht ''aus dem Rahmen fiel'', signierte Dieter diesen Extra-Druck als Besonderheit."

Es ist ja bekannt, dass Dieter in Hannover als Kind eines Schweizer Vaters und einer deutschen Mutter 1930 geboren wurde, dann aber 1943 in die Schweiz übersiedelte. Obgleich sich Dieter im direkten Sinne nie politisch engagierte oder äußerte, war ihm alles, was „rechts“ war oder mit Gewalt, Unterdrückung und Entrechtung zu tun hatte, zutiefst zuwider. Auch ich hatte durch meine protestantische Internatserziehung eine eingewurzelte Abneigung gegen alles, was mit den Nazis oder Neonazis zu tun hatte. Mein Lebenswerk in meinem späteren filmischen Schaffen belegt dies.

Mit dieser Haß-Liebe im Kopf und in der Seele begannen wir „münchen“ zu drucken. Natürlich kamen dabei auch Drucke heraus, die wie „köln“, „heidelberg“ oder „düsseldorf“ einfach in ihrer Schönheit brilliant waren. Aber besonders gefielen Dieter und mir die „münchen“, die auf den ersten Blick „schmuddelig“, „unästhetisch“, „dreckig“ und „schmierig“ aussahen.

„Oh, sind die aber schön hässlich“, bemerkte dann Dieter lächelnd, oder: „Na, der ist ja in seiner Hässlichkeit nicht zu übertreffen!“ und legte sie zu den „Guten“, denen, die „reif“ waren und auf ihre Signatur warteten.

Hier der ganze Vortrag als PDF.